Was wären, wenn wir den gesamten deutschen Handel auf regionale Ware umstellten? Was wäre der Effekt für’s Klima? Das hängt von vielen Faktoren ab. Es gibt jedoch einige wesentliche Punkte, die diese Einsparung beeinflussen würden:
1. Reduzierung der Transportwege
Ein großer Teil der CO2-Emissionen entsteht durch den Transport von Waren über weite Strecken, besonders bei Importen aus Übersee per Schiff, Flugzeug oder Lkw. Regionale Produkte würden kürzere Transportwege bedeuten, was eine direkte Einsparung von CO2-Emissionen aus dem Verkehrssektor zur Folge hätte. Studien gehen davon aus, dass der Transportanteil zwischen 5 % und 11 % der gesamten CO2-Emissionen eines Produkts ausmacht.
2. Energieintensität der Produktion
Regional produzierte Ware könnte in vielen Fällen auch eine umweltfreundlichere Produktion mit weniger Energieeinsatz bedeuten, insbesondere bei Produkten, die in Ländern mit fossilen Energiequellen produziert werden. In Deutschland wird ein relativ hoher Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen (etwa 50 % im Jahr 2023), was die Produktionsprozesse hier emissionsärmer machen könnte.
3. Vermeidung von Verpackungen und Lagerung
Bei regionalen Produkten wäre es oft nicht notwendig, diese über längere Zeiträume zu lagern oder stark zu verpacken, um den Transport über weite Strecken zu überstehen. Weniger Lagerung und Verpackung bedeutet auch weniger Energieaufwand und damit geringere CO2-Emissionen. Da könnte man etwa so berechnen:
Lebensmittel:
Der Transport von Lebensmitteln macht ca. 6 % der CO2-Emissionen der Lebensmittelversorgung aus. Bei einer Umstellung auf regionale Produkte könnten theoretisch bis zu 6 % der CO2-Emissionen eingespart werden.
Kleidung und Konsumgüter:
Hier könnte der Anteil höher sein, da Kleidung oft in Niedriglohnländern mit fossiler Energie produziert und über weite Strecken transportiert wird.
Schätzungen:
Eine Studie der Heinrich-Böll-Stiftung hat gezeigt, dass bei Lebensmitteln in Europa bis zu 30 % der CO2-Emissionen durch den Transport und die Produktionsweise entstehen. Würde man auf regionale Produkte umsteigen, könnten diese Emissionen drastisch reduziert werden, wobei die genaue Einsparung vom Produkt selbst abhängt.
Gesamtpotenzial:
Theoretisch könnten im Handel allein durch die Reduktion der Transportemissionen bis zu 10-20 % der CO2-Emissionen eingespart werden. Wenn man die gesamte Wertschöpfungskette (inkl. Energie bei Produktion und Verpackung) betrachtet, könnte der Wert höher liegen. Allerdings gibt es dabei viele Unsicherheiten, da regionale Produktionen auch ineffizienter sein können (z. B. energieintensive Produktion von Gewächshausgemüse in Deutschland vs. Freilandanbau in Südeuropa).
Wir machen einen Schätzung auf Basis der Gesamtemissionen Deutschlands und typischer Anteile für den Handel vornehmen.
CO2-Emissionen Deutschlands
Im Jahr 2022 betrugen die Gesamtemissionen von Deutschland etwa 746 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (Mt CO2e) laut Umweltbundesamt.
Anteil des Handels an den CO2-Emissionen
Die genaue Aufteilung der Emissionen auf einzelne Wirtschaftssektoren variiert, aber der Handelssektor (einschließlich Transport und Lagerung) macht typischerweise etwa 5-10 % der gesamten Emissionen aus. Dies umfasst auch Emissionen aus Transport, Lagerung, Heizung und Elektrizität in Gebäuden.
Angenommen, der Handel in Deutschland verursacht etwa 7 % der Gesamtemissionen, ergibt das 52,22Mt CO2e
Reduktion durch regionale Produkte
Wenn allein durch die Reduktion der Transportemissionen im Handel zwischen 10 % und 20 % eingespart werden könnten, wäre die potenzielle CO2-Einsparung 10,44Mt CO2e.
Die potenzielle CO2-Einsparung durch eine Umstellung auf regionale Produkte im deutschen Handel könnte demnach zwischen 5,22 und 10,44 Millionen Tonnen (Mt) CO2e pro Jahr liegen, also etwa 0,005 bis 0,01 Gigatonnen CO2e.
Das ist nicht wenig.
Mahr dazu in folgenden Veröffentlichungen:
Kramer, K. J., Moll, H. C., Nonhebel, S., & Wilting, H. C. (1999). Greenhouse gas emissions related to Dutch food consumption. Energy Policy, 27(4), 203-216.
Diese Studie untersucht die CO2-Emissionen der Lebensmittelproduktion in den Niederlanden und verdeutlicht den Einfluss des Energieverbrauchs bei verschiedenen Produktionsprozessen.
Garnett, T. (2011). Where are the best opportunities for reducing greenhouse gas emissions in the food system (including the food chain)? Food Policy, 36, S23-S32.
Die Publikation analysiert verschiedene Abschnitte der Lebensmittelproduktion und zeigt die Hauptquellen der CO2-Emissionen in der Produktion.
Poore, J., & Nemecek, T. (2018). Reducing food’s environmental impacts through producers and consumers. Science, 360(6392), 987-992.
Eine der umfassendsten Studien zu den Umweltauswirkungen der Lebensmittelproduktion weltweit, die verschiedene Produkte und ihre Produktionssysteme hinsichtlich ihrer Treibhausgasemissionen vergleicht.
Weber, C. L., & Matthews, H. S. (2008). Food-miles and the relative climate impacts of food choices in the United States. Environmental Science & Technology, 42(10), 3508-3513.
Diese Arbeit befasst sich mit den CO2-Emissionen des Lebensmitteltransports in den USA und dem Konzept der „Food-miles“ (Transportweg der Lebensmittel).
Sim, S., Barry, M., Clift, R., & Cowell, S. J. (2007). The relative importance of transport in determining an appropriate sustainability strategy for food sourcing. International Journal of Life Cycle Assessment, 12(6), 422-431.
Die Autoren untersuchen die Auswirkungen des Transports auf den CO2-Fußabdruck von Lebensmitteln und vergleichen lokale mit globalen Lieferketten.
Saunders, C., Barber, A., & Taylor, G. (2006). Food miles – comparative energy/emissions performance of New Zealand’s agriculture industry. Research Report No. 285, Lincoln University.
Diese Studie vergleicht die CO2-Emissionen des Transports von in Neuseeland produzierten Lebensmitteln mit denen von lokal produzierten Lebensmitteln in Europa.
Garnett, T. (2007). Food refrigeration: What is the contribution to greenhouse gas emissions and how might emissions be reduced? Food Climate Research Network, University of Surrey.
Diese Studie untersucht die Auswirkungen der Lebensmittelkühlung und -lagerung auf die CO2-Emissionen.
James, S. J., & James, C. (2010). The food cold-chain and climate change. Food Research International, 43(7), 1944-1956.
Diese Untersuchung befasst sich mit der gesamten Kühlkette für Lebensmittel und den damit verbundenen Energie- und Emissionskosten.
Kummu, M., de Moel, H., Porkka, M., Siebert, S., Varis, O., & Ward, P. J. (2012). Lost food, wasted resources: Global food supply chain losses and their impacts on freshwater, cropland, and fertilizer use. Science of the Total Environment, 438, 477-489.
Die Studie analysiert die globalen Verluste in der Lebensmittelversorgungskette und den damit verbundenen Ressourcenverbrauch, einschließlich der Lagerung.
Mekonnen, M. M., & Hoekstra, A. Y. (2011). The green, blue and grey water footprint of crops and derived crop products. Hydrology and Earth System Sciences, 15(5), 1577-1600.
Diese Arbeit untersucht den Wasser- und Energieverbrauch bei der Produktion von Agrarprodukten, was auch starke Auswirkungen auf die CO2-Bilanz hat.
Cucek, L., Klemes, J. J., Kravanja, Z. (2012). A review of footprint analysis tools for monitoring impacts on sustainability. Journal of Cleaner Production, 34, 9-20.
Die Autoren überprüfen Tools, die verwendet werden, um den Energieverbrauch und CO2-Ausstoß in industriellen Prozessen zu messen, einschließlich landwirtschaftlicher und verarbeitender Industrie.
Heller, M. C., & Keoleian, G. A. (2003). Assessing the sustainability of the US food system: a life cycle perspective. Agricultural Systems, 76(3), 1007-1041.
Die Publikation behandelt die Nachhaltigkeit des US-amerikanischen Lebensmittelsystems und fokussiert sich auf den Energieverbrauch in den verschiedenen Produktionsstufen.