Faire Chancen im Außendienst – Wie Vertriebsleiter*innen mit ungleichen Territorien umgehen

In vielen Unternehmen mit Außendienststrukturen gehört die Aufteilung von Verkaufsgebieten nach geografischen Territorien zur gängigen Praxis.

Doch nicht jedes Gebiet ist gleich: Während manche Außendienstmitarbeiter Zugang zu kaufkräftigen Kunden, gewachsenen Geschäftsbeziehungen oder einem hohen Marktpotenzial haben, kämpfen andere mit strukturschwachen Regionen, harter Konkurrenz oder geringem Bedarf.

Diese Ungleichheit führt nicht nur zu Frust im Team, sondern kann auch Motivation, Leistung und Fairnessgefühl negativ beeinflussen.

Ursachen für ungleiche Territorien

Die Hauptursache liegt in historisch gewachsenen Strukturen oder in einer rein geografischen Zuordnung der Gebiete. Ein Außendienstmitarbeiter übernimmt vielleicht das „Postleitzahlengebiet 7“, ohne dass dessen wirtschaftliches Potenzial im Vergleich zu anderen Regionen berücksichtigt wird. Auch Nachbesetzungen führen häufig zu einem Ungleichgewicht, wenn erfahrene Kollegen weiterhin starke Gebiete betreuen, während Neueinsteiger Randzonen oder „Problemregionen“ übernehmen.

Herausforderungen für die Vertriebsleitung

Für Vertriebsleiter ergeben sich aus der ungleichen Verteilung von Außendienstterritorien mehrere Spannungsfelder. So stellt sich beispielsweise die Frage nach der gerechten Leistungsbewertung: Ist es sinnvoll oder fair, Zielvorgaben und Boni einheitlich zu gestalten, obwohl die Ausgangslagen deutlich variieren? Auch die Teamdynamik leidet oft unter solchen Unterschieden – ungleich verteilte Erfolgschancen führen leicht zu Neid, Frustration oder Demotivation, selbst bei grundsätzlich leistungsstarken Mitarbeitenden. Hinzu kommt das Thema Mitarbeiterbindung: Außendienstmitarbeiter, die sich dauerhaft benachteiligt fühlen, entwickeln weniger Loyalität zum Unternehmen und sind eher wechselbereit. Nicht zuletzt verschenkt das Unternehmen auch wertvolles Marktpotenzial, wenn strukturell schwächere Gebiete nicht konsequent oder motiviert bearbeitet werden.

Lösungsansätze für mehr Fairness und Effektivität

1. Potenzialbasierte Zielsetzung

Anstelle pauschaler Umsatz- oder Neukundenziele sollten Zielvorgaben das tatsächliche Marktpotenzial des jeweiligen Gebiets berücksichtigen. Tools wie Geo-Marketing-Software, CRM-Analysen oder externe Marktstudien können dabei helfen, objektive Kennzahlen zu ermitteln.

2. Flexible Gebietsplanung

Statt starrer Territorien kann eine flexible Zuteilung von Kunden oder Leads auf Basis von Kapazität, Expertise oder Branchenschwerpunkt erfolgen. Besonders bei digitalem Vertrieb oder hybriden Vertriebsformen ist das sinnvoll.

3. Rotationsmodelle

Eine regelmäßige Rotation von Außendienstgebieten oder Key Accounts kann helfen, Chancen über die Zeit auszugleichen und neue Impulse in der Kundenbetreuung zu setzen.

4. Teamziele statt Einzelziele

Ein stärker teamorientierter Ansatz, bei dem Ziele und Boni auf Gruppenbasis vergeben werden, kann das Wir-Gefühl fördern und den Ausgleich zwischen starken und schwachen Regionen erleichtern.

5. Zusätzliche Unterstützung für schwächere Gebiete

In strukturschwachen Regionen kann gezielte Unterstützung durch Marketingaktionen, Spezialistenbesuche oder Investitionen in Infrastruktur helfen, das Potenzial besser zu heben.

Ist die territoriale Aufteilung überhaupt noch zeitgemäß?

Die klassische Gebietseinteilung war jahrzehntelang sinnvoll, vor allem in stark lokal verankerten Märkten. Doch in Zeiten von Digitalisierung, vernetztem Vertrieb und speziellem Know-how verliert sie an Relevanz. Kunden informieren sich online, Einkaufsentscheidungen werden zentralisiert und persönliche Nähe ist oft weniger entscheidend als Fachwissen, Reaktionszeit oder digitale Services.

Alternativen zur territorialen Aufteilung:

  • Branchen- oder Segmentfokus: Außendienstler betreuen spezifische Kundengruppen unabhängig vom Standort.

  • Aufgabenbezogene Spezialisierung: Unterteilung in Jäger (Neukundenakquise) und Farmer (Bestandskundenbetreuung).

  • Hybridmodelle: Kombination aus regionaler Verantwortung und funktionsbezogener Spezialisierung.

Also?

Vertriebsleiter sind heute mehr denn je gefordert, faire und zugleich leistungsfördernde Strukturen im Außendienst zu schaffen. Die territoriale Aufteilung könnte regelmäßig überprüft und an die Marktbedingungen angepasst werden. Wo sie zu gravierenden Ungleichgewichten führt, ist der Mut zu neuen Modellen gefragt – im Sinne der Mitarbeitermotivation, der Chancengleichheit und des nachhaltigen Vertriebserfolgs.

Das kommt auch bei den Kunden an.