Nicht unseren schönen Planeten aufessen!

Wir brauchen einen grundlegenden Wandel der Agrarpolitik. Ziel muss sein, den Artenverlust in der Landwirtschaft zu stoppen und eine nachhaltige und faire Landwirtschaft zu fördern. Eine vielfältige und gesunde Ernährung kann erheblich dazu beitragen, unsere Ressourcen zu schützen, den Klimaschutz voranzutreiben und unsere Artenvielfalt zu erhalten und zu fördern – in Deutschland genauso wie in anderen Regionen der Welt. Der Aufbau von resilienten und nachhaltigen globalen Lieferketten, die ohne Entwaldung auskommen, leistet hierfür einen wichtigen Beitrag.

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist das wichtigste agrarpolitische Steuerungsinstrument innerhalb der Europäischen Union. Das enorme Finanzvolumen in Höhe von derzeit rund 380 Mrd. Euro für die kommende Förderperiode bis 2027 birgt ein großes Potenzial, den klimapolitischen und ökologischen Herausforderungen in der Agrarpolitik und dem Strukturwandel in der Landwirtschaft zu begegnen. Hierfür sind jedoch grundlegende strukturelle und funktionelle Veränderungen am bestehenden Fördersystem erforderlich.

Seit Jahrzehnten geht die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft zurück. Im Vergleich zu 1990 sind allein die Schmetterlingsbestände im Grünland in der EU auf 56 Prozent gesunken. Bei den Vögeln der Agrarlandschaft verringerte sich der Bestand im gleichen Zeitraum auf rund 68 Prozent. Dieser Rückgang ist maßgeblich in der Ausrichtung der Landwirtschaft in Deutschland und Europa begründet. Insofern ist es ein zentrales naturschutzpolitisches Anliegen, den Rückgang der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft zu stoppen und umzukehren.

Böden erfüllen elementar wichtige Funktionen. Sie stellen Nährstoffe für Pflanzen zur Verfügung, regulieren den Wasserhaushalt und speichern enorme Mengen Kohlenstoff. In Deutschland ist fast die Hälfte der Böden durch Erosion, Humusverlust, Verdichtung, Versalzung oder die Klimakrise bedroht. Hinzu kommt die Versiegelung von Flächen. Jeden Tag werden rund 66 Hektar unbebaute Fläche in Siedlungs-, Gewerbe- und Verkehrsfläche umgewandelt. Daher ist es wichtig, diesen Trends Einhalt zu gebieten und die Bedeutung er Böden für unsere Zukunft stärker ins Bewusstsein zu rücken.

Gleiches gilt für den Schutz des Grundwassers. Dafür gibt es zwar eine europäische Nitratrichtlinie, doch die nötige Aufmerksamkeit fand diese Richtlinie bisher nicht. Wie beim Einsatz von Düngemitteln ist auch beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln der europäischen Farm-to-Fork-Strategie zu folgen. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist drastisch zu reduzieren. Die Vorteile des ökologischen Landbaus für die natürlichen Ressourcen sind unbestritten. Daher muss sich die Bundesregierung auch weiterhin für einen Ausbau des Ökolandbaus einsetzen, bei ihren Zielen sollte sie allerdings deutlich nachbessern.

Beim Klimaschutz kommt der Landwirtschaft eine besondere Rolle zu, denn sie ist Quelle für klimaschädliche Emissionen und Emissionssenke ugleich. Gleichzeitig gibt es in der Landwirtschaft Emissionen, die nur schwer zu vermeiden sind, wie zum Beispiel die Entstehung von Methan, Lachgas oder Ammoniak bei der Milch- und Fleischerzeugung. Dies zeigt schon deutlich, dass die Reduzierung des Konsums tierischer Produkte, einhergehend mit den Empfehlungen der EAT-Lancet-Kommission für eine gesündere Ernährung, und somit eine Reduzierung der Tierbestände in Deutschland ein notwendiger Ansatz beim Klimaschutz. Auch landwirtschaftlich genutzte Böden sind eine wichtige Emissionsquelle. Etwa 40 Prozent der Emissionen aus Landwirtschaft und Landnutzung entstehen auf acht Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Insbesondere die Nutzung organischer Böden für Ackerbau durch die Entwässerung mooriger Böden hat mit etwa fünf Prozent erheblichen Anteil an den bundesdeutschen Gesamtemissionen. Doch bergen landwirtschaftlich genutzte Böden auch erhebliches Potenzial, Kohlenstoff in Form von Humus zu binden. Dafür wäre allerdings eine konsequente Abkehr von den bislang üblichen ackerbaulichen Praktiken nötig.

Die Auswirkungen unserer Essgewohnheiten auf unseren Planeten werden häufig unterschätzt. Dabei stellen unsere gegenwärtigen Ernährungssysteme – vom Acker bis zum Teller – eine der größten Herausforderungen für unseren Planeten und für unsere Gesundheit dar. In Deutschland tragen wir mit unseren derzeitigen Ernährungsgewohnheiten erheblich dazu bei, dass die ökologischen Belastungsgrenzen der Erde überschritten werden. Dabei ist es notwendig, unsere Ernährungsweisen zum Wohle der Menschen und des Planeten umzustellen.

Der WWF fordert in diesem Zusammenhang einen Neustart der Ernährungspolitik. Um ein nachhaltiges Ernährungssystem zu erreichen, müssen verschiedene Politikfelder zusammen gedacht und kohärent gestaltet werden. Mit einer „Farm-to-Fork“-Strategie könnte Deutschland auf der Grundlage eines ambitionierten ernährungspolitischen Gesamtkonzepts Teil der Lösung werden. Dazu gehören:

  1. Verabschiedung einer ressortübergreifenden Ernährungstrategie 2022 mit dem Ziel, dass sich die Ernährungsgewohnheiten n Deutschland künftig an den planetaren Belastungsgrenzen orientieren. Die Strategie sollte Ziel- und Zeitvorgaben, Indikatorennd Maßnahmen enthalten und in regelmäßigen Abständen auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.
  2.  kohärente und integrierte Gestaltung der Ernährungspolitik nter Einbeziehung von Klimaschutz, Landwirtschaft, Umwelt, Verbraucherschutz sowie Wirtschaft und Bildung bis hin zur Entwicklungszusammenarbeit
  3. Aufnahme des Indikators „Nachhaltige Ernährung“ in die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie
  4. Verabschiedung gemeinsamer Zielvorgaben und Mindestkriterien für eine nachhaltige Lebensmittelbeschaffung und Verpflegung durch die Bundesregierung und die Bundesländer bis 2022, die für öffentliche Ausschreibungen und Vergabeverfahren, aber auch für Einrichtungen von Bund und Ländern verpflichtend sind. Um eine flächendeckende Umsetzung auch auf kommunaler Ebene zu gewährleisten, wird eine umfassende Förder- und Beratungsstruktur aufgebaut, die sowohl Anbieter und private Initiativen als auch die öffentliche Verwaltung einbezieht.
  5. Einsatz der Bundesregierung auf nationaler und europäischer Ebene für die Entwicklung und verbindliche Umsetzung eines Nachhaltigkeitslabels für Lebensmittel, um Verbraucher:innen eine bessere Grundlage für ihre Kaufentscheidungen zu ermöglichen. Das Label gibt unter anderem Auskunft über Wasserrisiken und Biodiversitätsverluste bei der Lebensmittelproduktion.
  6. begleitender Einsatz von Steuerungsinstrumenten, die einerseits en Konsum von nachhaltigen Produkten über finanzielle oder steuerliche Anreize fördern, andererseits über Steuern, Abgaben oder „True Cost Accounting“ den Konsum nicht nachhaltiger Produkte, insbesondere tierischer Produkte, verringern sollen. Bei der Implementierung der Instrumente ist auf soziale Folgen zu achten.

Wir brauchen eine verantwortungsvolle und nachhaltige Lieferketten ohne illegale und legale Abholzung, Umwandlung oder die Degradierung natürlicher Ökosysteme. Zusätzlich müssen die Menschenrechte gewahrt und der Anbau nachhaltig gestaltet werden. Eine neue EU-Gesetzgebung zum Stopp der globalen Entwaldung durch die EU muss einen verbindlichen Rahmen für Produkte und Waren schaffen, die frei von Entwaldung, Umwandlung und Degradierung natürlicher Wälder und Ökosysteme sind. Rohstoffe müssen nachhaltig sein und nicht nur den legalen Anforderungen der Herkunftsländer entsprechen. Alle Waren, die auf den europäischen Markt gebracht werden, müssen frei von Menschenrechtsverletzungen bei Ernte oder Produktion sein.

Quelle: WWF