Korn. Landwirtschaft im Glas

Oh, es gibt so viele faszinierende Spirituosen auf der Welt. Natürlich gibt es den Rum, der unsere Gedanken sofort erfasst, mit Salsa, einfach zusammengebretterten Tanzbars, karibischen Schönheiten und der Idee, am Strand eine dicke Havanna zu rauchen. Es gibt da auch den Wodka mit seinem klaren polnischen oder russischen Charme, der uns an weites Land, Ziehharmonikamusik und lange Geschichten erinnert. Ja, und der Whisky, wie er aus quirligen Bergbächen stammt, dessen Wasser erst durch Torferde fließen und dann von Männern in Tweedjacken durch Kupferkessel gejagt werden, um endlich in alten Fässern für viele Jahre zur Ruhe zu kommen. Oder sein amerikanischer Verwandter, aus Kentucky, der an gute Freunde in Jeanslatzhosen erinnert, die sich Zeit lassen, um an ihrer Harley zu schrauben, während ein Produkt heranreift, das einmal beim Derby im Bluegras alle Blicke von der Rennbahn in das Glas zieht. Wir kennen auch Aquavit, die aromatische Kühle aus dem Norden, als hätten die Skandinavier das Feuer der Islandvulkane mit Arktiswasser gepaart. Die Welt der Spirituosen ist weit. Doch von Zuhause kommt der Korn.

Korn ist die beliebteste Spirituose der Deutschen. Das ist trotz der vielen Fertiggetränke in bunten Flaschen und des Erfolgs internationaler Importe über die vielen Jahre unverändert geblieben. Der „Klare“ ist überall bekannt, bodenständig und fester Bestandteil der deutschen Trinkkultur. Es gibt im Wesentlichen drei begrifflich festgelegte Varianten: den einfachen Korn mit 32 % vol. Alkohol, den Kornbrand mit 37,5 % Vol., der auch als Doppelkorn vermarktet wird und den Edelkorn mit mindestens 40% Vol. Alle diese Bezeichnungen sind heute in der Europäischen Union rechtlich geschützt und bezeichnen eine Spirituose die im deutschen Sprachraum d.h. Deutschland, Österreich, Schweiz sowie im Elsass und Teilen Luxemburgs und Belgiens aus reinem Getreide hergestellt wird. Alle Varianten sind angenehm mild und brennen nicht. Der Korn wird typischer Weise im kleinen, stämmigen 0,2cl Glas serviert, der „Kurze“ eben.

Um die edlen Züge des höher prozentigen Doppelkorns oder gelagerten Edelkorns hervorzuheben werden diese oft im stilvollen Stielgläschen angeboten, das oft dass Wappen der Stadt oder das Logo der Brennerei ziert. Zur Serviertemperatur gibt es unterschiedliche Vorlieben und Bräuche; von kellerkühl bis gefrierfachkalt oder sogar im gefrorenen Glas kann einem alles begegnen. Klar ist aber, dass der Klare bei nur leichter Kühlung seine Aromen besser entfaltet und in der Lage ist, seinen Charakter zu zeigen.

Die verschiedenen Kornbrenner in Deutschland stellen Produkte her, die sich zwar deutlich unterscheiden, aber immer als Korn erkennbar sind. Jede Kornbrennerei bringt einen eigenen Charakter zu Tage, jedoch wäre es gewagt, wie etwa beim Whisky aus den Produkten typische regionale Unterschiede abzuleiten. Obgleich es kein festgeschriebenes, chemisch genau definiertes Geschmacksprofil gibt, sind die Brenner verpflichtet deutliche „Kornaromen“ erkennen zu lassen, die auf den Ursprung aus reinem Getreide zurückzuführen sind. Das ist der wesentliche, große Unterschied zum Wodka, der eigentlich nur das reine Alkoholaroma sucht. Der Korn trägt eine Vielzahl typischer Aromen, die nicht zu dominant sind und eignet sich daher als abrundender Digestif zu allen Speisen deutscher Küche oder einfach als Ergänzer zum Bier. Wahrscheinlich liegt darin das Geheimnis des Erfolgs, denn Korn hat immer die Breite der deutschen Bevölkerung angesprochen und nie nur die Nische der Sommeliers belegt, die stundenlang die Nase in das Glas halten und dann über Abgang und Nachklang sinnieren, während das Getränk in der Hand warm wird.

Dennoch ist Korn bei weitem mehr als nur ein „Kurzer“ oder eine alkoholische Zutat für einen Coladrink. Der Korn kann mehr erzählen. Korn steht für Landwirtschaft, harte Arbeit und ehrliche Geselligkeit. Ein Korn begießt die Grundsteinlegung des neuen Kälberstalls oder der neuen Schlosserei gleichermaßen wie das Richtfest beim Einfamilienhaus in der Vorstadt. Ein Korn wärmt die Gesellschaft an einem nebeligen Herbstmorgen vor der Treibjagd. Ein Korn begleitet eine Kanutour durch die Mecklenburger Seenplatte genauso gut, wie eine Wanderung durch die Eifel. Ohne Korn wäre Erntedank oder irgendein Fest auf dem Dorf überhaupt undenkbar. Ein Korn passt zur westfälischen Schinkenplatte ebenso wie zu Hirschmedallions,  Scholle Finkenwerder oder Kuchen unterm Kirschbaum in Omas Garten. Ein Korn unterbricht den Nachmittag.  Ein Korn schließt den Abend. Einen Korn hat man sich verdient.

Es ist wohl heute nicht mehr wirklich feststellbar, wann ein Korn das erste Mal als Korn bezeichnet wurde und möglicherweise ist es auch nicht so wichtig. Der Begriff ist jedoch einfach auf „das“ Korn zurückzuführen, ohne sich mit weiteren phonetischen Ausarbeitungen befassen zu müssen. „Das Korn“ ist im gesamten deutschen Sprachraum der Begriff für Getreide. Die frühesten Aufzeichnungen über die Herstellung destillierter Spirituosen aus Getreide gehen auf das 15. Jahrhundert (* Das 15. Jahrhundert sind alle Jahre, die mit 14 anfangen.) zurück. Es war die Epoche der Renaissance als Gutenberg die erste Bibel druckte, die Türken Konstantinopel eroberten, und Leonardo Da Vinci unfassbar schöne Weltwunder erschuf. In dieser Zeit entwickelte sich das Destillieren von Bier aus der bereits weit verbreiteten Praxis des Destillierens von Wein. Dem Erfindungsreichtum der Zeit ist wahrscheinlich zu verdanken, dass man bald herausfand, auf den Umweg über das Bierbrauen verzichten zu können und statt dessen das vergorenes Getreide direkt ab zu destillieren. Irgendwo in dieser Zeit liegt der Ursprung des Kornbrands.

Von einem Produkt namens „Kornbranntweijn“ wurde erstmals 1507 schriftlich berichtet, als flämische Einwanderer auf der Flucht vor dem Terror des Herzogs von Alba die Kunst des Destillierens von Getreide mit sich in deutsche Lande brachten. Das älteste niedergeschriebene Rezept für Kornbranntwein geht auf das Jahr 1576 zurück als die die Destillation allmählich nach Norden ausbreitete, wo Getreidefelder und nicht Obst- oder Weinbau die Landwirtschaft prägten. Der Main bietet hier eine imaginäre geoklimatische Grenzlinie, ab welcher der Zuckergehalt in Früchten stetig abnimmt, je weiter man nach Norden schreitet. Im Vergleich zu Obst- oder Weinbränden, die bis heute im Süden Ihre Bedeutung behielten war Getreide als Rohware für einen Brand im Norden viel günstiger. Getreide ist zudem gut lagerfähig. Jetzt konnte sich ein wesentlich breiterer Anteil der Bevölkerung einen gebrannten Schnaps leisten. Korn wurde die Spirituose des einfachen Mannes. Einige Aufzeichnungen über erhebliche Zoll- und Steuereinnahmen durch „Kornbranntwein“ deuten an, dass diese neue Entwicklung wohl bei Städten und Gemeinden nicht unbedingt auf Gegenwehr stieß.

Nach den Wirren des dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) waren weite Teile des Weinbaus in Süddeutschland und anderen Teilen Europas völlig zerstört. Ebenso, wie jetzt das Bier den nicht mehr zu bekommenden Wein ersetzte, so ersetzte der Kornbrand die Brände aus Wein oder Obst. Der Korn breitete sich weiter aus. Die Branntweinerzeugung war jetzt Sache der Getreidebauern und blieb bis heute eng mit der Landwirtschaft verwachsen. Das Kornbrennen hatte allerdings außer seiner Rolle als neue Einkommensquelle noch einen weiteren, viel direkteren Nutzen für die Landwirte: Das Nebenprodukt, die Schlempe ist ein wertvolles Viehfutter. Beim Prozess der Kornherstellung, über den später noch mehr zu lesen ist, bleibt ein schmackhafter, sehr eiweißreicher Getreidebrei, die Schlempe zurück. Die Schlempe mästet gut. Wer sich kurz verinnerlicht, dass im 17. Jahrhundert noch kein Soja aus Brasilien in Rotterdam und Hamburg umgeschlagen wurde, entdeckt schnell den Wert eines nahrhaften, heimischen Eiweißfutters. Die Kornbrenner, bauten also ihr eigenes Getreide an und hielten Vieh, meist Ochsen oder Schweine. Dieses Vieh schloss wiederum den Nährstoffkreislauf indem es Dung für die Getreidefelder lieferte.

Eine echt nachhaltige Landwirtschaft also, mit allen Zutaten für eine ordentliche Westfahlenplatte: Brot, Schinken und den Kurzen. Vor allem in den dichter besiedelten Regionen wie Westfahlen oder in Regionen mit ärmeren Böden, wie rund um Breslau oder Nordhausen hatte das Konzept Erfolg. Dort entstanden die Zentren der Kornbrennerkunst. Heute ist der Nordhäuser ist eine eigene Marke die für die Region steht und im Raum Westfahlen-Südoldenburg führt eine Fahrradtour zwangsläufig irgendwann an einer alten Kornbrennerei vorbei. Das einstige Breslau heißt heute Wroclaw. Dort gibt es keine klassischen Kornbrände mehr aber guten polnischen Wodka.

Im Jahr 1879 erschlug dann eine weitere menschengemachte Katastrophe den Weinbau in Mittel- und Südeuropa. Dieses Mal war es nicht der Krieg zwischen Völkern sondern der Kampf mit der Natur. Vor allem Frankreich wurde von der aus Amerika eingeschleppten Weinlaus, Phyloxera erfasst.

Mit dem zwischenzeitlichen Ende des Weinbaus in Europa ging natürlich auch der Weinbrand unter. Die Franzosen als konsequente Nicht-Abstinenzler mit einer langen Tradition fassgelagerter Spirituosen wurden kurzerhand zu den größten Kunden der schottischen Whiskyindustrie. Sie sind es heute noch. Die Deutschen aber mit Ihrer ständigen Skepsis gegenüber fremdländischen Erzeugnissen entschieden sich für mehr Klarheit und verhalfen dem Korn zu seinen zweiten, landesweiten Durchbruch. Des einen Glück, des anderen Leid, so schient es. Korn ist jedenfalls seitdem unser Nationalgetränk, gewissermaßen als Landwirtschaft im Glas. Verwunderlich ist nur warum es der Korn nie auf die Bühne der Welt geschafft hat. Andere regionale Spirituosen mit weitaus ärmlicherer Herkunft sind dagegen gerade in neuster Zeit um die Welt gegangen. Rum ist die Erfindung verlassener Sklaventreiber und gelangweilter Inselkommandanten, die aus den ungenießbaren Resten der Zuckerherstellung in der Karibik irgendetwas Sinnvolles herstellen wollten. Tequilla, ursprünglich eine eher terpentinartige Lösung, entstand durch die Not spanischer Einwanderer, die in der Wüste Mexicos froh waren, eine Pflanze zu finden, aus der man irgendetwas herstellen kann. Wodka ist überhaupt nur verdünnter Alkohol und wird aus allem möglichen gebrannt. Oder Grappa, einst ein kümmerlicher, schwarzgebrannter Trost geprellter Tagelöhner in Italiens Weinbergen und heute die Schickimicki-Plürre überhaupt. Gewissermaßen bildet ja gerade dieses Arme, Unreine und Heimliche den Charme, der Erfolg verspricht. Die Karriere des Herings vom Beifang für arme Leute zum angesagten Häppchen zu Sekt auf Sylt verlief ähnlich. Was hat aber die Welt gegen unseren reinen, ehrlichen Korn? Gut, dann sind wir mal ehrlich. Warum sollte sich ein Bauer, der auf seinem Brennrecht sitzt und feste Preise erzielt, nach anderen Märkten umschauen? Das bedeutet nur Risiko und Stress in unbekannten Gewässern. Das auch noch alles ohne die Chance das Geschäft wirklich auszubauen und zu wachsen – wegen der Quote. Eigentlich Schade, denn die Welt liebt deutsche Produkte. In jedem Land der Welt, zieht man den Hut vor der deutschen Braukunst. Lateinamerika liebt Steinhäger. Osteuropa liebt den grünen Kräuterlikör mit dem Hirsch und in jeder gut sortierten amerikanischen Hotelbar findet man deutsche Obstbrände. Kommt der Korn erst noch?

Wie Korn gemacht wird

Mit viel Liebe natürlich.

Das Korn gab dem Korn seinen Namen. „Das Korn“ nennt der Volksmund seit jeher das regional vorherrschende Getreide und nach seinen Essenzen dürstet ihm. In einen Kornfeld wächst bei uns Weizen, Gerste, Roggen oder Hafer. In Amerika heißt Mais “corn” und ist dort das einheimische Getreide. Der Begriff ist wohl auch durch deutsche Einwanderer geprägt.

Der Korn wird also aus Getreide hergestellt. Das Getreide wird zunächst gemaischt, damit vergärbare Zucker frei werden. Durch den Zusatz von Hefe kann dann in der Gärung Alkohol entstehen, der wiederum durch Destillation von der Maische getrennt wird. Das klare hochprozentige Destillat wird dann auf Trinkstärke eingestellt und abgefüllt. Im Wesentlichen nutzen alle Kornbrenner dieses Prinzip, jedoch macht jeder es ein bisschen anders. Die Wahl der Getreidesorte, die Zeitabläufe, das Temperaturregime, der Aufbau der Anlage, die Lagerung, all dies sind Variablen, die bis hin zur Präsentation des fertigen Getränkes eine enorme Vielfalt und individuelle Charaktere hervorbringen.

Die Alkoholproduktion als Handwerk umfasst Bereiche der Biologie, Chemie, Physik, Mathematik, Ökonomie und Kunst.

Ähnlich wie wir es vom Bier kennen, unterliegt auch der deutsche Korn einem Reinheitsgebot, welches die Kornbrenner seit 1909 dazu verpflichtet ausschließlich die ganzen Körner von Weizen, Roggen, Hafer, Buchweizen oder Gerste sowie das aus Gerste gewonnene Malz zu verwenden. Sie können demnach keine anderen Stärke und Zuckerquellen wie Mais, andere Getreidesorten, Rüben, Kartoffeln, Früchte oder gar Melasse einsetzen. Dies betrifft auch die Triticale, ein  Kreuzungsprodukt aus Weizen und Roggen, das heute in Deutschland zwar als Getreide großflächig angebaut wird und durchaus zur Alkoholproduktion genutzt wird. Als aber das Reinheitsgebot für Korn festgeschrieben wurde, konnte Triticale nicht erwähnt werden. Es gab diese Pflanze noch gar nicht. Das Kornbrennen ist eben nicht nur ausgefeilte Technik, sondern auch voller Tradition. Sicherlich wurde in der Nachkriegszeit auch so mancher Klarer in selbst gebastelten, nicht ganz offiziellen Apparaten gebrannt, der dann zwar als ‚Korn’ in den Umlauf ging, aber von Rüben, Kartoffeln oder was die kleinen Felder so hergaben stammte. Sicherlich eine Idee, die in die Zeit passte. Heute in Zeiten von Verbraucherschutz, Markenrechten und Barcodes wohl undenkbar.

Weizen

Weizen ist das bedeutendste Getreide in der deutschen Kornbrennerei und auch das meist angebaute Getreide in Deutschland. Mit 62 % oder mehr Stärke bietet Weizen hinsichtlich der theoretischen Ausbeute an Alkohol das größte Potential sowohl bezogen auf  das Gewicht wie auch auf den Hektar Anbaufläche. Aus einer Tonne (1000 kg) gutem Brennweizen lässt sich bei guter Anlagenführung bis über 400 Liter Alkohol erzeugen. Das reicht für etwa 1780 Flaschen Korn. Einen Hektar ( 10 000 m”) Weizen kann man sich nun  – sehr bildlich – vorstellen als ein Feld von 17 000 Flaschen Korn. Das ist natürlich sehr flach gerechnet, denn selten ist die Ausbeute in der waren Welt der Brennerei so hoch wie in der Theorie auf dem Papier, aber selbst 10 000 Flaschen sind einen Imposante Zahl.

Weizen wird schon sehr lange kultiviert. Er stammt ebenso wie die Gerste aus der Region zwischen Euphrat und Tigris, einer Region des Beginns des Ackerbaus und der frühen Hochkulturen Mesopotamiens. Dort wo die Landwirtschaft ihren Anfang nahm, Brot gebacken wurden und das Bierbrauen entstand. Dort wo man heute leider vom Alkoholgenuss nichts wissen will. Weizen ist relativ robust und setzt sich gegen andere Grasarten gut durch. Die Körner lassen sich gut lagern oder transportieren und sind im nächsten Jahr noch als Saatgut nutzbar. Frühe Zeichnungen deuten darauf hin, dass die Weizenfelder von damals optisch durchaus mit einem heutigen Feld vergleichbar waren und sehr gleichmäßigen Bewuchs zeigten, wenn auch mit viel geringerem Ertrag und natürlich auf sehr viel kleineren Parzellen.

Weizen ist heute eine Massenfrucht die ein schönes Demonstrationsmodell zur Erklärung der Globalisierung darstellt. Der Preis für Weizen wird an der Börse in Chicago bestimmt. Weizen beeinflusst die Preisgefüge vieler anderer Agrargüter und ist im Welthandel eine harte Währung, nicht unbedeutender als das Öl. Weizen ist leider auch exemplarisch für die Flurbereinigung und die Umgestaltung der Landschaft zur Anpassung an immer schlagkräftigere Maschinen. Die riesigen Weizenfelder in Canada, Russland oder der Ukraine reichen von Horizont bis Horizont. Es gibt Schläge an denen der Mähdrescher während einer Bahn von Feldrand zu Feldrand mehrmals entladen werden muss.

Reiner Weizenkorn schmeckt sehr fein, fast frisch. Er bringt ein sehr leichtes Kornaroma hervor, das durch ein feinblumiges Bukett ergänzt wird und das an leichte Fruchtgerüche erinnert. Ein Weizenkorn trägt Züge von Melonen und eine leichte süße. Es wird auch über einen Hauch von Banane berichtet, den nicht jeder findet. Dinkel als urtümliche Weizenart ist als Rohstoff für Kornbrände eine Besonderheit. Dinkel ist besonders im Ökolandbau beliebt und wird von Biobäckern verstärkt nachgefragt. Dinkelkorn bringt ist sehr rund und bringt manchmal ausgeprägte Nussaromen mit. Es wären schön davon noch mehr zu sehen.

Gerste

Die Gerste spielt in der Kornbrennerei vor allem deshalb eine Rolle, weil sie sich gut mälzen lässt. In diesem Vorgang werden aktive Enzyme gebildet. Die Enzyme, kleine Eiweißpartikel, im Malz helfen in der Maischebereitung die Stärke aus dem Getreide aufzuspalten und vergärbare Zucker freizusetzen.  Die Enzymwirkung oder „diastatische Kraft“ guter Brennmalze ist so stark, dass geringe Anteile an Malz in der Rezeptur für den Aufschluss der gesamten Maische aus Weizen oder Roggen ausreichen. Maximal 25 % Malz sind beim Kornbrennen erlaubt. In einem traditionellen Weizenkorn ist also auch Gerste – in Form von Malz.

Der Vorgang des Mälzens ist vollkommen natürlich. In der Mälzerei wird die frische Gerste zunächst unter kontrollierten Bedingungen feucht gehalten, sodass sie keimt. Das kleine Gerstenkorn denkt nun, dass es eine Pflanze werden sollen und setzt alle nötigen, biologischen Prozesse in Gang. Doch die Mälzer haben andere Pläne. Wenn sich die ersten Wurzelansätze bilden, muss die Keimung durch eine schonende Trocknung, das Darren, unterbrochen werden. Das Malz wird sehr weit bis auf nur 5 % Feuchtigkeit getrocknet. Dadurch hört die Entwicklung auf, aber die gebildeten Enzyme bleiben noch funktionsfähig. Sachgemäß erzeugtes Malz ist lange haltbar. Früher hatten einige Kornbrennereien, genau wie die meisten Brauereien Ihre eigene Mälzerei. Heute wird Malz in vielen Varianten auch fürs Bierbrauen fast ausschließlich in kommerziellen Mälzereien hergestellt. Der Prozess ist zur Deckung des Eigenbedarfs in kleinen Unternehmen einfach zu aufwändig. Voll automatisierte Dämpfbecken von der Größe eines städtischen Schwimmbads und gigantische Darrtrommeln haben die romantischen Malzböden ersetzt. Ersetzt wurde aber nicht nur die Romantik alter Tage sondern auch die Kinderarbeit. Die für den Korn bestimmten Malze sind sehr rein, d. h. schonend gedarrt, ohne Röst- oder Raucharomen zu erzeugen.

Die Gerste ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Welt, sie stammt wie der Weizen aus Zentralasien und stellt in Europa heute insbesondere in Nordwestdeutschland, Dänemark und Südschottland eine gut angepasste Getreideart dar. Gerste liebt gute Böden und ein mildes, feuchtes Klima. Sie ist relativ anspruchslos und kommt mit einer kurzen Vegetationsperiode, wie im maritimen Klima Nordeuropas gut klar. Gerste wird hauptsächlich als Viehfutter angebaut, aber einige Standorte eignen sich besonders für Braugerste. Dazu gehören auch die Sorten die in die Brennerei gehen. Es wird zwischen Winter- und Sommergerste, sowie zwischen zweizeilige und sechszeilige Sorten unterschieden. Wintergetreide wird im Spätsommer ausgesät, entwickelt sich noch bis zum Winter und bringt im Sommer darauf hohe Erträge. Sommersorten werden im Frühjahr gesät und in der gleichen Vegetationsperiode geerntet. Das bietet nicht die gleichen Erträge je Hektar, aber andere Qualitäten. Die Gerste legt ihre Körner in sechs Reihen entlang der Ähre an, von denen sich bei den zweizeiligen Sorten nur zwei entwickeln. Die Ähren sehen dann nicht so prall aus, aber sie tragen größere Körner mit guten Keimeigenschaften.

Eine Zulage von Gerstenmalz zur Rezeptur der Kornmaische bringt natürlich mehr als nur die Wirkung ihrer Enzyme. Etwas Malz wirkt geschmacksverstärkend. Es bringt den milden, beinahe süßlichen Charakter des Korns mehr hervor. Es macht das Getränk allgemein breiter, vielleicht vollmundiger. Höhere Gehalte bis zur zugelassenen Marke von 25 % bringen zunehmend deutliche Malznoten mit, die je nach Art der Destillation mehr oder weniger ausgeprägt erscheinen. Verschiedene Malztypen leisten ebenso wie beim Bierbrauen unterschiedliche Beiträge zur Gesamterscheinung einer Spirituose. Kornbrenner meiden aber stark aromatisiertes Malz wie das über Torffeuer gedarrte Rauchmalz der schottischen Whiskybrenner. Wenn man jedoch bedenkt, dass früher offene Holzfeuer zum Darren verwendet wurden, sind sicherlich auch rauchige Aromen entstanden, die in den Kornbrand übergingen. Die Schotten machen das mit Absicht und schmeißen sogar ein paar Ballen Torf ins Darrfeuer. Im Whisky findet man daher unterschiedlich starke Rauchnoten. Die Aromenflut, die solche Zutaten auslösen, kann nur durch mehrjährige Reifung in Holzfässer ausbalanciert werden. Ein Korn soll jedoch ohne Nachbehandlung oder längere Lagerung fein und rein sein. Die Qualität eines frisch gebrannten Korns, wenn er gerade aus der Destille läuft, kann oft schon trinkfertig sein.

Anderes Getreide

Das Reinheitsgebot für Korn erwähnt auch die Verwendung von Hafer oder Buchweizen, die in der heutigen Kornbrennerei kaum anzutreffen sind.

Der Roggen jedoch war immer in der DDR eine beliebe Grundlage für die Alkoholproduktion und ist nach dem Fall der Mauer* (* Sie ist eigentlich nicht „gefallen“ mann hat sie von beiden Seiten eingerissen. Das, finde ich, ist ein großer Unterschied) insbesondere durch eine witzige Werbekampagne der Nordhäuser Brennerei auch als Roggenkorn populär geworden. Roggen ist in der Brennerei allerdings schwer zu handhaben. Er ist nicht so stärkereich und bringt viele Glukane und andere Substanzen mit, die in der Maischebereitung gummiartige Eigenschaften hervorbringen. So manchem Brenner sind schon mal die Leitungen und Pumpen verstopft. Wer mit Roggen hantiert sollte sich auskennen. Roggen ist aber sicherlich das anspruchsloseste Getreide im Anbau und daher interessant. Er ist robust, wächst auf den ärmsten Böden und verträgt jahrelangen Nachbau (Roggen nach Roggen nach Roggen). Es gibt daher insbesondere in Ostdeutschland Regionen wo außer Roggen nichts anderes anzutreffen ist. Der Roggenkorn ist rauer. Die Kunst ist ihn nicht zu brotig werden zu lassen. Dafür gibt es gut gelungene Beispiele.

In der Kornerzeugung kommen also nur ganze Körner heimischen Getreides zum Einsatz, kein Mais oder Reis, keine Müllereinebenprodukte, Pops oder Flakes. Früher in der Blütezeit des staatlichen Branntweinmonopols musste ein mit diesen Alternativstoffen gebrannter Sprit an die Monopolverwaltung abgegeben werden. Nur das reine Kornbrennen war „ablieferungsfrei.“ Das heißt, wer etwas Verkaufsgeschick besaß konnte auch sein eigenes Produkt abfüllen. Darunter haben manche als Marke bis heute überlebt. Der Staat schaute natürlich auch damals wie heute genau zu, denn die Steuern waren beachtlich. Da durfte kein Tropfen übersehen werden. Leider sind nicht alle Traditionen in der Geschichte der Spirituosenerzeugung sind gleichermaßen sympathisch.

Wasser

Manche sagen, die wichtigste aller Zutaten für die Herstellung gelungener Kornbrände ist gutes Wasser. Das stimmt. In vielen Regionen der Welt bezeichnet man die örtlich hergestellte Spirituose überhaupt als „das Wasser des Lebens“. In Frankreich beispielsweise heißen klare Brände einfach Au de Vie. In Skandinavien entstand der Begriff Akvavit, oder Aquavit das aus dem lateinischen aqua vitae hervorgegangen ist und in Schottland und Irland mutierte höchstwahrscheinlich der gleichbedeutende gälische Ausdruck Uisge Beath über Uisge irgendwie zu Whisky. Aus dieser Sicht ist ein Korn also tatsächlich Wasser, mit etwas mehr Leben drin.  Der irische Dichter James Joyce sagte einmal in diesem Zusammenhang,  dass Wasser, welches nur ein wenig modifiziert wurde, ja wohl nicht schaden könne.

Im Ernst, Wasser ist für die Spirituosenherstellung sehr bedeutend. Wasser kann in seiner Zusammensetzung je nach Herkunft extrem variieren und bringt tatsächlich viele bedeutende Komponenten in das Getränk. Der Säuregrad und der Anteil mineralischer Bestandteile bestimmen die Härte des Wassers. Anteil organischer Bestandteile oder sogar im Wasser enthaltene Mikroorganismen bestimmen stark das flüchtige Aroma und allesamt die optische Reinheit.  Diese ist beim einen Getränk, das klar und gekühlt serviert werden soll besonders wichtig. Kleinste, für das bloße Auge unsichtbare Partikel, die man nicht schmeckt können durch Lichtbrechung die reine und klare Erscheinung, für die der Korn steht, schnell trüben.

Kornbrenner nehmen das Thema Wasser sehr genau. Dies nicht nur, weil das trinkfertige Produkt zu über 60 % aus Wasser besteht, sondern auch, weil die Wasserqualität für den erfolgreichen Verlauf der Gärung natürlich enorm wichtig ist. Historisch wurden wohl Quell- und eigene Brunnenwasser  genutzt, was in der Natur eines landwirtschaftlichen Betriebes liegt, aber das Entstehen der Kornbrennereien orientierte sich nicht so stark am Wasser, wie es zum Beispiel von Brauereien bekannt ist. Heute wird der meiste Korn mit aufwändig aufbereitetem (konditioniertem), kommunalem Wasser erzeugt. Wasser bester Güte ist also eine der wichtigsten Zutaten.

Hefe

Die Hefe ist das eigentliche Geheimnis der Alkoholerzeugung. Man kann viel über die verschiedenen Rohwaren und Zutaten reden oder über unterschiedliche Anlagedesigns diskutieren, ohne den Einsatz lebender Hefekulturen gäbe es schlicht keinen Alkohol. Man kann vielleicht Kekse oder Pizza ohne Hefe backen.  Aber die Alkoholerzeugung ist im Prinzip eine Art Hefehaltung. So wie der Milchbauer Kühe hält. Hefen sind die bestgehüteten Lieblinge, die Milchkühe der Kornbrenner. Hefen sind überhaupt die wichtigste Gruppe von Mikroorganismen mit kommerzieller Bedeutung in der Welt, sie stehen seit einigen 1000 Jahren im Dienste der Menschheit. Hefen sind der Menschheit äußerst bedeutsam durch ihre Anwendung in der Produktion von Bier, Wein, Spirituosen, Lebensmitteln sowie einer Vielzahl biochemischer und therapeutischer Substanzen. Einige wilde Hefen verursachen Verderbnis von Futter- und Lebensmitteln während andere kultivierte Hefetypen als so genannte Probiotika mit nützlichen Effekten gezielt zugesetzt werden. Einige Stämme haben sogar medizinische Bedeutung, wie beispielsweise in der Produktion von Insulin.

Die ersten Menschen, die aufgegangenes Brot und alkoholische Getränke wie Wein und einfaches Bier genossen, gehörten wohl zu den frühen Hochkulturen des Mittleren Ostens. Sie kannten zwar die Anwendung von Hefe als Zutat, als empfindliche Masse, aber nicht ihre echten biologischen Eigenschaften als lebende Wesen. Sogar das deutsche Reinheitsgebot für Bier von 1516 erwähnt die Hefe nicht, denn zu der Zeit wurde neues Bier einfach mit dem Schaum oder Bodensatz der vorangegangenen Gärung angesetzt. Es war aus Beobachtungen und Erfahrungen überliefert, dass man so vorgehen musste, aber man wusste nicht was genau passiert. Wein und Obstweine entstanden ausschließlich durch die auf der Rebe und den Früchten lebenden wilden Hefen. Viele Biere entstanden unbewusst durch Hefen, die in der Luft herum schweben, das gesamte Brauhaus „kontaminierten“ und  eine Art spontaner Gärung ermöglichten. Heute kann man noch in einigen traditionellen Spezialitätenbrauereien Belgiens bestaunen, wie dies gekonnt praktiziert wird. Das Kafir Bier der südlichen Afrikas wird ebenfalls heuet noch so gebraut. Man lässt eine Maische aus Hirse oder Mais ein paar Tage an einem temperierten Oft stehen und erhält bei der Einhaltung ein paar Spielregeln ein recht passables, sehr nahrhaftes Getränk. Es ist eine Art Getreidesaft mit 2-4% Alkohol, nicht ein Bier im Europäischen Maßstab aber ein Gebräu, dass in die Gegend und zu den dortigen Menschen passt. Das Kafir Bier gibt einen aber einen Eindruck davon, wie auch bei uns wohl das Bier in früheren Zeiten mal aussah und geschmeckt hat. Die Hefe war als Lebewesen aber noch nicht entdeckt.

Erst viel später, im 19 Jahrhundert* (* alle Jahre die mit 18 beginnen) beschrieb der belgische ?? Wissenschaftler Louis Pasteur (1822 – 1895) in seiner Arbeit Études sur la biere, dass Hefen tatsächlich Lebewesen sind und, dass die Anwesenheit dieser kleinen Organismen von essentieller Bedeutung für den Gärungsprozess ist. Pasteur bewies, dass ohne Hefe keine Fermentation statt findet und dass die Anwesenheit anderer Organismen (wilde Hefen oder Bakterien) das Gärverhalten mit dem Ergebnis verdorbener Biere oder Weine stören kann.

Kornbrenner kennen das Verhalten ihrer Hefen gut und pflegen sie sehr. Traditionell züchteten und vermehrten die Brennereien oft Ihre eigenen Kulturen, die an das Verfahren gut angepasst war und den jeweiligen Charakter des fertigen Produktes prägten. Heute wird es zunehmend Praxis, auf diese aufwendige Handhabe zu

verzichten und speziell hergestellte Brennhefen zuzukaufen. Diese werden einfach als trockenes Pulver direkt in den Gärtank gegeben oder als Hefebrei vorbereitet. Der Vorteil liegt neben der Arbeitsersparnis in der Verwendung ständig frischer Kulturen, die ungleich leistungsfähiger sind. Damit reduziert man das Risiko der Infektion des Gärtanks mit unerwünschten Bakterien oder wilden Hefen. Solche Infektionen stören den Gärverlauf und mindern damit nicht nur die Ausbeute sondern können auch den Geschmack beeinträchtigen. Das will keiner, denn die wichtigste Eigenschaft eines Korns ist der reine Geschmack, der zuverlässig die Erwartung des Verbrauchers trifft. Man möchte nicht, dass jede Flasche des gleichen Produktes anders schmeckt.

Etwa 700 Hefespezies sind heute mit über 5000 Stämmen bekannt, aber nur wenige wurden genau beschrieben. Hefen sind in der Systematik der Biologie eingeordnet als nicht-photosynthetische, weit entwickelte, einzellige Sprosspilze (Ascosporidae). Sie nutzen also nicht wie Pflanzen das Sonnenlicht als Energiequelle sondern Zucker (wie wir) und sie vermehren sich durch Sprossung (wie wir glücklicherweise nicht). Soweit die Taxonomie (wissenschaftliche Zuordnung), auch Biologen haben ihre Schubladen. In der Welt der Hefen und ihrer Klassifizierung gibt es jedoch so viele Ausnahmen, dass man kaum noch von einer Regel sprechen kann. Es gibt z.B. Hefen die nicht sprossen sondern sich sexuell (d.h. durch Genvermischung von zwei Individuen) vermehren. Dann gibt es noch Hefen die beides können

Hefen sind auch  fakultative Anaerober, d.h. sie können sowohl mit als auch ohne Sauerstoff leben. Sie können also, wenn in Ihrer Umwelt der Sauerstoff fehlt, von Atmung auf Gärung umschalten. Atmung heißt, Sauerstoff zu nutzten, um Kohlenhydrate (Glucose) zu verbrennen und somit Energie zu erzeugen. Das machen wir und alle anderen Tiere ständig. Gärung heißt dagegen, mangels Sauerstoff nur die in den Kohlenhydraten enthaltene Energie zu nutzten. Das können wir nicht. Wir können nicht tagelang die Luft anhalten aber dafür mehr Bonobons und Schokolade essen. Darin liegt das besondere dieser wunderbaren kleinen Hefewesen. Hefen sind ein bisschen wie wir. Sie lieben Zucker und Wärme, sie wachsen, haben Sex und vermehren sich. Sie beeinflussen Ihre Umwelt, können krank werden und altern. Aber das besondere ist, wenn die Luft ausgeht, machen sie aus Zucker einfach Alkohol.

Hefen nutzen Zucker als Energiequelle zum Leben und Wachsen. Sie könne diese Zucker mit Sauerstoff veratmen oder unter Luftabschluss vergären. Als Abfallprodukte entstehen dann Alkohol und Kohlendioxyd (CO2). Bäcker freuen sich bei der Verwendung von Hefe über die treibende Kraft des Kohlendioxids und Kornbrenner über den Alkohol. Das Kohlendioxid, das den Brotteig treib, ist für immer verloren, aber der Alkohol der in der Kornbrennerei entsteht hat seine Missoin noch nicht erfüllt.

Hefen nutzen ein breites Spektrum an Kohlenhydraten (Zuckerverbindungen) als Energiequelle. Die eingesetzten Kulturhefen heißen in der lateinische Sprache der Mikrobiologie daher Saccharomyces cerevisiae, was so viel bedeutet wie „der vom Zucker lebende Pilz der Bier macht“. Saccharomyces cerevisiae und ihre Verwandten können jedoch die im Getreidekorn noch als Stärke gebundenen Zucker so wie sie vorkommen nicht direkt verarbeiten. Die Stärke ist eine Matrix aus vergitterten Glucosestückchen und  muss erst in der Maischebereitung durch Enzyme aufgeschlossen werden damit kleinere Zuckermoleküle entstehen, die die Hefe aufnehmen kann – und jetzt fangen wir endlich an.

Maischebereitung

Die Maischebereitung ist die Hauptarbeit in der Kornproduktion und ebenso, wie jeder Koch seinen Kreationen eine persönliche Note gibt, so finden sich auch in der Maischebereitung unendlich viele Rezepturen, Techniken, Erfahrungen und Weisheiten. Ziel ist es stets, wie bereits erwähnt, das stärke-reiche Getreide in einen Brei aus vergärbarem Zucker umzuwandeln. Zusätzlich legt das Verfahren weitere Getreidekomponenten frei, die von der Hefe als lebenswichtige Nährstoffe genutzt werden. Genau wie wir braucht auch die Hefe Vitamine, Proteine, und Mineralstoffe wie Phosphor, Zink und Magnesium zum Leben.

Die Umwandlung der Stärke geschieht, wenn alles gut läuft, durch Enzyme. Die Stärke muss man sich vorstellen wie eine Art verästelte Gitterstruktur oder Geflecht aus kleinen Glucosestückchen. An diese Glucose will die Hefe ran. Das Ganze ist zusätzlich noch mit dem Eiweiß des Getreidekorns verwachsen, die Struktur ist somit zu groß und steif. Die Hefe bekommt keine Stücke ab, die Sie aufnehmen könnte. Bestimmte Enzyme aber könne diese Matrix an entscheidenden Stellen zerlegen, sodass sie kleinere Glucoseketten freilegt. Andere Enzyme spalten dann diese Kette weiter zu kleinsten Glucoseverbindungen wie Maltose oder reiner Glucose.

Enzyme machen ihre Arbeit wie chemische Schlüssel die in bestimmte Schlösser passen, die Struktur aufschließen und somit biologische Vorgänge vorantreiben oder überhaupt erst ermöglichen. Man kann sagen, dass Enzyme an alle biologischen Vorgängen in einem Lebewesen beteiligt sind. Sie sind in Ihrer Funktion sehr spezifisch. Enzyme heißen in der Taxonomie immer wie das, was sie zerlegen, mit der beigefügten Endung „-ase“. Protease zerlegt Protein, Zellulase zerlegt Zellulose, Amlase zerlegen die den Stärkebestandteil Amylose, usw. Natürlich beschreibt die Nomenklatur auch genau, wo das bestimmte Enzyme eine Stärkekette angreift, am Ende oder eher mittig. Das sind dann entsprechende Exo – oder Endoenzyme. Vobei „Endo“ nicht von „Ende“ abgeleitet ist sondern aus dem griechischen Wort für „Mitte“. Ja, ich weiss…aber es braucht sich ja niemand zu merken. Wen das zu sehr verwirrt, der könnte sich damit trösten, dass es doch schön ist in der Menschheit so viele verschiedene Sprachen zu haben. Außerdem muss man nicht alles selbst wissen. Man kann die Dinge leicht nachlesen oder jemanden Fragen, der sich damit täglich beschäftigt. Zahllose Experten sitzen alleine zu hause oder im Auto und würden sich freuen wenn, Sie mal einen Anruf mit einer guten Frage zu Ihrem Sachgebiet bekämen.

Aber Vorsicht! Man sollte nicht in den Universtitäten anrufen. Diese sind durch ihre Struktur nicht dafür ausgerichtet Fragen zu beantworten. Das hat drei Gründe. Zum einen ist man dort zu beschäftigt mit Themen, die der Normalbürger nicht verstehen kann. Das heißt keiner hat Zeit. Zweitens weiß man dort nicht, wer welche Fragen beantworten kann, denn das wissen um die Sachgebiete ist innerhalb der Universitäten viel geringer als zwischen den Universitäten auf internationaler Ebene. Ein Pflanzengenetiker kennt dem Namen nach alle wichtigen Pflanzengenetiker auf der Welt, die am gleichen Thema arbeiten und dazu eventuell noch einige andere aus direkt verknüpften Sachgebieten wie in diesem Beispiel Statistik oder Mikrobiologen. Aber er weiß nicht, was die Brauer im Nebengebäude eigentlich machen. Eine Universität gleicht in diesem Sinne der seltsam anonymen Wohngemeinschaft in einem Hochhaus am Stadtrand. Wo soll ich das Fragen, was ein Endoenzym ist? Drittens könne Universitätsprofessoren direkte Fragen nicht verstehen. Ich habe noch nie erlebt, das ein Professor eine Frage aus dem Auditorium korrekt aufgenommen und verstanden hat und diese dann im Sinne der Frage beantwortet hat.

Es ist leichter, man wendet sich an einen Hersteller. Und dort am besten an jemanden mit einen Doktortitel, gleich ob er im Vertrieb oder in der Entwicklungsabteilung sitzt. Im allgemeinen werden bei großen Firmen Leute mit Doktortitel eingestellt, um nach außen mit erhöhter fachlicher Kompetenz zu glänzen. Die Doktoren haben das ständige Gefühl in der profanen Umwelt unterfordert zu sein. Es geht immer nur um Verkaufszahlen, Quartalsberichte, Prognosen Kundenlisten und Jahresabschlüsse. Die Verkäufer fahren Dicke Autos und bekommen tolle Provisionen, aber das fachliche kommt im Firmenleben zu kurz. Das wirkliche Wissen wird nicht angezapft. Keiner Schätzt es. Perlen vor die Säue. Die Leute, die sich so fühlen, müssen Sie finden. Sie sind durstig nach Fachpublikum, nicht nach dem  Fachpublikum der Aussendienstschulung, sondern nach echten Interessenten. Meine Frau macht sich diese Phänomen sehr zu nutze. Sie ist Tierärztin und hat eine eigene Praxis. Es tun sich oft Fragen auf, zu denen sie den neusten Strand der Dinge erfahren will. Eine ganz normale Situation,  die die meisten Tierärzte jedoch nie zugeben würden. Sie haben schließlich in der Uni alles gelernt und brauchen keine Hilfe von außen mehr. Meine Frau aber ruft einfach bei den großen Pharmaunternehmen an, wird fix weitergeleitet und bekommt Antwort. Und zwar eine Antwort mit der Sie was anfangen kann.  Das kann keine Universität der Welt, auch wenn Sie die Dinge erarbeitet hat, die sich die Pharmaindustrie zu Nutze macht. Ein Enzymhersteller könnte auch mit einfachen Worten erklären was für ein Wunder ein Enzym ist und was es in der Maischebereitung so macht.

So raffiniert und wunderbar die Enzyme aber auch sind, Sie können die komplexe und sehr dichte, kristallartige Struktur der Stärke im Getreidekorn nicht so einfach knacken. Es fehlt Ihnen die Angriffsfläche, wie bei einem Hund der versucht in einen großen, prall aufgeblasenen Strandball zu beißen. Das Getreide wird deshalb zunächst in traditionellen Anlagen über eine einer Walzenmühle geschrotet oder in einer Hammermühle ganz fein gemahlen. Dieses feine Mehl wird dann gekocht. Die Stärke wird dabei von Wasser durchdrungen, quillt sehr stark auf und bietet den Enzymen jetzt genug Ecken zum anbeißen und Möglichkeiten tiefer in die Stärke einzudringen.

Mitte des 20igsten Jahrhunderts entwickelten die Kornbrennereien in Deutschland den Hentzedämpfer, in welchem das Getreide unter großem Druck mit Sattdampf regelrecht zum Platzen gebracht wurde. Diese Anlage legt die Stärke sehr gut frei und reduziert auch den Befall des Getreides mit Schadkeimen, aber sie verbraucht einfach zu viel Energie und wird nicht mehr gebaut. Es hat sich durchgesetzt das Getreide sehr fein zu mahlen und bei niedrigeren Temperaturen (über 80°C), die gerade für eine Abtötung der Bakterien ausreichen zu kochen. Diese drucklosen Kochverfahren sind sparsamer und effizienter. Auch Kornbrenner müssen rechnen. Große Akoholanlagen nutzen allerdings über den Jet-Cooker wieder ein Hochdruckverfahren, das Dampf mit 120°C in die Maischleitung presst, die dann wiederum in einen großen Behälter, die Expansionskammer mündet. Durch den so erzielten plötzlichen Druckunterschied werden die Stärkepartikel geradezu zerfetzt.

Wenn sich der so entstandene Getreidebrei nun durch die Wirkung der Enzyme zunehmend verflüssigt wird es allmählich Zeit die Temperatur zu senken und den nächsten Schritt, die Verzuckerung einzuleiten. Die Maische ist jetzt zwar flüssig aber immer noch nicht süß. Dazu nutzt man wieder die abbauende Wirkung spezieller Enzyme. Diese Enzyme entstehen beim bereits beschriebenen Vorgang des Mälzens der Gerste oder sie können als biotechnisch erzeuge Zusatzstoffe zugekauft werden. So oder so können Sie erst jetzt zugesetzt werden, da sie die hohen Kochtemperaturen nicht überleben. Bierbrauer, die nur mit Malz arbeiten, wie es das deutsche Reinheitsgebot  vorschreibt, kochen daher nicht die Maische, sondern erst später den vollständig verzuckerten, extrahierten Sud, um in zu sterilisieren. Whiskybrenner kochen gar nicht und leben mit einem gewissen Maß und bakteriellem Befall, der sogar einige erwünschte Aromen hervorbringt. Es gibt eben nicht nur viele Wege zum Ziel, sondern auch viele unterschiedliche Ziele.

Traditionell wurde entweder unter Enzymeinsatz oder durch Wirkung der Malzenzyme vor der Gärung verzuckert, d.h. sämtliche Stärke war vollständig zu vergärbarem Zucker abgebaut. Heute weiß man, dass zu viel Zucker für Hefen nicht gut ist. In einer starken Zuckerlösung braucht Hefe zu lange, um sich auf die neue Umgebung einzustellen und endlich mit einer stabilen Gärung zu beginnen. In der Zwischenzeit haben Bakterien, die überall vorkommen, einen Vorsprung und können die Maische infizieren. Der Verzuckerungsschritt war früher beim Einsatz von Malz als einziger Enzymquelle unumgänglich, fällt aber heute oft ganz weg. Zugekaufte Enzymkomplexe erleichtern die Arbeit. Sie werden mit Hilfe selektierter Bakterien oder Schimmelpilzkulturen erzeugt und versprechen mehr Effizienz. Ist die Maische schließlich verflüssigt und verzuckert wird es Zeit für den Hefeeinsatz. Allerdings trennen die Brenner nicht die Würze ab und kochen sie, wie es die Brauer tun, um einen sterilen Sud zu erzeugen, sondern sie vergären die gesamte dicke Maische. Das geht meistens gut, denn am Ende des gesamten Vorgangs steht die Destillation. Dort wird  irgendwelchen Keimen keine Chance gelassen, in das Endprodukt zu gelangen.

Wir sollten aber nicht vorgreifen und erst einmal die verzuckerte Maische in den Gärtank zu pumpen.

Gärung

Das Kapitel Hefe hat schon einiges vorweggenommen, trotzdem wird es jetzt noch einmal spannend. Jetzt entsteht der Alkohol. Zunächst müssen wir jedoch verstehen, was der Begriff Gärung eigentlich bedeutet. Louis Pasteur, dem wir vorher schon begegnet sind, brachte es auf den Punkt: Gärung ist das Leben und Wachsen von Mikroben unter Sauerstoffabschluss. Natürlich klingt dies etwas knapp und nüchtern, wenn wir daran denken, was alles in der Gärung passiert und wie viel es da gibt, das wir noch nicht verstehen und vielleicht niemals richtig verstehen werden. Wenn wir nun wissen, dass Hefe sich an der Luft sehr wohl fühlt und sich stark vermehrt, dann leuchtet es schnell ein, was zu tun ist, um die gewünschte Alkoholische Gärung einzuleiten. Die Luft muss raus. Glücklicherweise macht auch dies die Hefe selbst, denn sie zehrt den in der Maische gelösten Sauerstoff schnell auf und erzeugt durch ihre Abermillionen von kleinen Kohlendioxidbläschen eine dichte Schaumdecke, die keinen weiteren Luftaustausch zulässt. Daher kann man überhaupt mit einem offenen Gärbottich arbeiten. Es ist nichtmehr üblich, aber noch anzutreffen. Wie schon betont wollen Kornbrenner ein sehr reines Getränk erzeugen und möchten einen gut kontrollierten Gärverlauf, der nicht durch Bakterien, wilde Hefen oder das Klima gestört wird.

Die schädlichen Bakterien kommen nicht nur mit dem Getreide sondern auch aus der Luft. Sie lieben auch den Zucker und vermehren sich sogar schneller als Hefen. Während Hefen etwa drei Stunden brauchen, um sich zu verdoppeln, machen das die unerwünschten Lactobacillus Bakterien in nur 20 Minuten. Aus einem einzelnen Bakterium werden also in 20 Minuten schon zwei, nach 40 Minuten vier, nach 60 Minuten acht, nach 80 Minuten 16, nach 100 Minuten 32, nach 120 Minuten 64, nach 140 Minuten 128, nach 160 Minuten 256 und nach drei Stunden 512 Bakterien. In dieser Zeit hat sich die Hefe gerade einmal geteilt. Außerdem reden wir nicht wirklich von ein oder zwei Bakterien- oder Hefezellen sondern von mehreren Millionen je Milliliter Maische und wir wollen schon gar nicht wissen, was in drei Tagen Gärzeit passieren kann. Daher kommen in Kornbrennereien heute fast nur noch geschlossene Gärtanks zum Einsatz.  Diese Edelstahltanks sind zwar nicht so schön wie die großen offenen Bottiche aus Fichten- oder Zedernholz , wie sie noch in den Whiskydestillerien in Schottland oder Kentucky zu bestaunen sind, aber natürlich weitaus effektiver und auch für höhere, kontrollierte Gärtemperaturen geeignet.

Im Gärtank wird nun also die Hefe der süßen Maische bei etwa 28 – 33°C zugesetzt. Hefe mag es nicht zu heiß. Sie fängt sofort an, den Restsauerstoff zu verbrauchen und geht, nachdem sie sich an ihre neue Umgebung gewöhnt hat, in die alkoholische Gärung über. Was da jetzt passiert, ist eigentlich ein kleines Wunder, das noch viel Raum für Forschung lässt, sich aber einfach erklären lässt – jedenfalls in seinen Grundzügen. Iech versuche es mal. Das Zuckermolekül besteht aus Kohlenstoff- (C), Wasserstoff- (H) und Sauerstoffatomen (O), der Alkohol auch, nur in einem anderen Verhältnis. Das Kohlendioxid besteht nur aus einem C und zwei O. Zucker mit sechs C-, zehn H- und fünf O-Atomen schreibt man also C6H10O5, Alkohol schreibt man CH3CH2OH oder C2H5OH und sowohl CO2 wie auch H2O kennt jeder. Die Hefe weiß das auch und baut einfach alles um, als wären es Legosteine. Sie macht aus einigen C6H10O5 –Molekülen und etwas H2O zu gleichen Teilen CH3CH2OH und CO2. Sie macht aus Zuckerwasser also Alkohol und Kohlendioxid. Das ist das grobe Prinzip. Natürlich haben die Chemiker und Biologen viel umfangreichere Erklärungen, imposantere Gleichungen und bunte Grafiken, aber hier brauchen wir Sie nicht. Hier geht es um ein einfaches, klares Getränk. Darum lassen wir es dabei. Ist die Maische nun schließlich nach 3 bis 4 Tagen vergoren und hat je nach Verfahren etwa 8 – 15 % vol. Alkohol, dann kann alles, was weiterhin passiert nur noch Schaden anrichten, denn alles Gewonnene geht wieder verloren – ein bisschen wie im Leben. Jetzt muss also sofort abdestilliert werden.

Destillation

Die Destille ist der Stolz jedes Destillateurs. Ohne Sie wären Destillateure keine Destillateure. Der Destillierapparat zieht das raus, was man sucht, und läßt zurück, was man nicht haben will. Sie kann die Essenzen des Getreides herausarbeiten, voneinander trennen und verstärken. Was für  Sciencefiction-Fans der Laserstrahl ist, ist für Brenner die Destille. Sie bringt die Dinge auf den Punkt.

Das Prinzip der Destillation stützt sich auf die physikalischen Eigenschaften verschiedener Flüssigkeiten in einem Gemisch, die zwar gemeinsam eine Flüssigkeit bilden, aber jeweils ihre unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften behalten haben. Dazu gehört auch der Siedepunkt.  Reiner Alkohol hat (auf Meereshöhe) seinen Siedepunkt bei 78,4°C während Wasser bekanntlich erst bei 100° C kocht. Der gute Herr Celsius hat danach ja die Skala auf seinem Thermometer festgelegt. Wenn man also die Temperatur eines Gemisches aus Alkohol und Wasser oder in unserem Fall einer vergorenen Maische richtig einstellt (so bei 80°C) dann lässt sich der Alkohol vom Rest trennen, da er sich leichter verflüchtigt als die anderen Bestandteile der Mischung. Im entstandenen Dampf haben die einzelnen Komponenten ein anderes Mischungsverhältnis als vorher in er Flüssigkeit. Der Alkoholanteil im Gemisch ist somit gestiegen. Durch Kühlung wir dieser Alkoholdampf wieder verflüssigt und bringt eine wesentlich höherprozentige Alkohollösung hervor. Dies ist das Brennen.

Um dieses Prinzip optimal zu nutzen ist eine erstaunliche Vielfalt von Brennapparaten entstanden. Der typische Brennapparat, die Blase, ist im Wesentlichen ein großer birnenförmiger Kupferkessel, der in ein Rohr, das Geistrohr mündet, durch das das Destillat abzieht. Die Größe und das Material der Blase sowie die Form des hutförmigen Aufsatzes und die Art der Kühlung haben einen entscheidenden Einfluss auf den Erhalt geschmacksbildender Komponenten. Ist der ‚Hut’ besonders groß oder birnen- bis kugelförmig, dann können schwerere Bestandteile und Wasser wieder kondensieren und in die kochende Flüssigkeit zurückfallen. Leichter flüchtige Substanzen steigen weiter empor und gelangen schließlich über das Geistrohr in die Kühlvorrichtung.

Wenn die vergorene Maische einen Alkoholgehalt etwa 8 – 10 % vol. hat, dann können im ersten Brennvorgang in solch einem einfachen Blasendestillierapparat 25 bis 28 % vol. erzielt werden. Natürlich reicht das noch nicht aus. Dieser erste Brand enthält zwar keine festen Bestandteile mehr, aber abgesehen davon, dass er gewünschte Alkoholgehalt noch nicht erzielt wurde, ist eine ausreichende Reinheit auch noch nicht gegeben. Es sind noch zu viele unbekömmliche und aromastörende Substanzen wie unerwünschte Alkoholverbindungen, Öle, organische Partikel oder metallische Bestandteile enthalten. Der Vorgang wird also wiederholt –  je öfter desto feiner und höherprozentiger das Destillat.  Im zweiten Durchgang werden 61 – 65 %  und im dritten 80 – 82 % erzielt. Der Fortschritt nimmt ab je weiter man den Vorgang wiederholt.

Dies ist  die Funktionsweise des klassischen Blasendestillierapparates, der zwar historisch bedeutsam, aber in deutschen Kornbrennereien kaum noch anzutreffen ist. Ein findiger, irischer Ingenieur namens Aneas Coffey fand nämlich einen Weg diese Prozedur beschleunigen und die vielen Wiederholungen in einem einzigen Vorgang zu vereinen. Er entwickelte eine Konstruktion in der das Wechselspiel zwischen Verdampfung und Kondensation in einer Kolonne von übereinander liegenden Sieben und Kochböden wiederholt wird. Die Konstruktion sieht ein wenig aus wie ein senkrecht gestelltes U-boot mit lauter Bullaugen. Es ist ein Rohr , das von unten mit Dampf beheizt wird. Etwa im unteren Drittel wird die Maische eingeleitet. Sie fließt durch Siebböden nach unten gegen den aufsteigenden Dampf. Durch die Hitze trennt sich der Alkohol, wie in der Brennblase von der Maische und steigt auf. Der Alkoholdampf durchdringt einen Siebboden und kondensiert. Das Kondensat fließt durch die Löcher im Siebboden zurück und wird dabei vom aufsteigenden Alkoholstrom durchdrungen. Das Kondensat wird von Boden zu Boden in Gegenstrom nach unten somit weiter entgeistet d.h alkoholärmer.

Gleichzeitig steigt der Alkoholdampf weiter auf und wird mehr und mehr verstärkt. Als Endergebnis erzielt solch eine Kolonne mit zwanzig und mehr Böden Alkoholgehalte von über 80 % vol. in einem Arbeitsgang und hinterlässt eine weitgehend entgeistete Schlempe. Moderne Destillen haben, je nach dem was dort produziert werden soll, 42 und mehr Böden, denn die letzten Prozente zu erzielen, wird immer schwieriger. Ausserdem erreicht jeder Schritt in der Realität der Ingenieure nicht soviel wie auf dem Papier der Physiker.Technisch ist bei 96,1% Schluss. Bei diesem Alkoholgehalt hat der Dampf das gleiche Mischungsverhältnis wie die Flüssigkeit. Destillieren ist jetzt sinnlos.

Man möchte als Kornbrenner allerdings gar nicht so weit gehen. Der sehr hoch destillierte Sprit schmeckt nur nach Alkohol und bildet vielleicht die Grundlage für einen Wodka. Kornbrenner wollen aber die deutliche Getreidenote beibehalten und machen bei etwa 82 – 86 % Vol. Schluss. Viele positive Aromakomponenten, die während der Gärung freigesetzt wurden oder entstanden sind werden bei schonender Destillation mit in das fische Destillat getragen. Malt Whisky wird sogar nur bis etwa 64% gebrannt. Daran kann man schon sehen, dass rein technisch mehr „Verunreinigungen“ enthalten sind. Dieser frische Sprit ist ungenießbar und lässt kaum erkennen, dass er einmal zu einem edlen Getränk werden soll. Die lange Fassreife ist also der einzige Ausweg.

Die Technologie oder besser die Kunst der Destillation ist schon uralt und geht, wie so vieles, auf das Wissen der arabischen Kultur zurück. Wahrscheinlich schon rund um 700 etablierte sich im arabischen Raum die Technik in Brennblasen gezielt Aromata und medizinisch wirksame Substanzen durch die thermische Phasentrennung zu gewinnen oder auf zu konzentrieren. So geschah es auch mit Pflanzenextrakten. Die Araber waren bekannte Meister in der Herstellung des Parfüms. Daher bezeichnete man noch lange Zeit die gebrannten Spirituosen als „nach Art des Rosenwassers gebraut“ und die kupfernen Brennblasen hießen „Rosenhut“.  Jedenfalls hatte irgendwann irgendjemand die Idee einen Wein durch so eine Einrichtung zu jagen und hatte damit wohl auch ein Ergebnis, dass nicht nur angenehm überraschte, sondern auch reißenden Absatz fand. Nach den Versuchen mit Wein kam dann wohl das Bier usw.

Reife

Die Reife ist ein heikles Thema. Wir haben alle eine ander Vorstellung davon, was Reife bedeutet oder wann etwas reif ist. Der frisch aus der Destille sprudelnde Korn ist jedenfalls noch nicht wirklich marktfähig. Er ist noch zu jung und unausgeglichen. Wie in einem frisch zusammengewürfelten Orchester. Dort brauchen die einzelnen Musiker noch Zeit sich aneinander zu gewöhnen und gemeinsam gut zu klingen. Dieses Phänomen ist technisch nicht darstellbar oder messbar. Es ist nur durch die menschliche Sinnesprüfung erfassbar, die tausendmal empfindlicher ist als jedes heute verfügbares Messgerät. Auch wenn wir immer so tun, als wären wir geruchlich blind und meinen nur Hunde können die Umwelt mit ihrer Nase erfassen, so sind wir doch sehr durch Gerüche gesteuert. Die Nase enthält Rezeptoren mit direkter Verbindung zum Gehirn und leitet permanent eine Fülle von Daten direkt ins Unterbewusstsein. Im Gegensatz zu visuellen Reizen, die wir mit dem Auge erfassen und dann bewusst darüber nachdenken, was wir damit anstellen, arbeitet unser „Aroma-Auge“ die Nase eher im Hintergrund. Die Nase kommuniziert mit unserem Gedächtnis und den damit verknüpften Emotionen. Das ist viel komplizierter als die visuelle Welt. Gut, dass es im Grunde automatisch und  unbewusst abläuft. Unser geruchliches Erinnerungs- und Erkennungsvermögen ist wesentlich größer und schlagkräftiger als alle anderen Sinne Zusammen. Wir können uns eher daran erinnern wie es bei Oma gerochen hat, als dass wir in der Lage wären die Möbelstücke im Keller aufzumalen.

Diese Gerüche sind Erfahrungen die das Gehirn nicht vergisst und jederzeit abrufen kann. Nur sind wir nicht darin geübt, darüber zu reden. Uns fehlt in der allgemeinen Sprache unsere visuell geprägten Welt, der Wortschatz und die Übung, Gerüche bewusst zu beschreiben und einzuordnen. Täglich beschreiben wir, wie etwas aussieht oder sich anfühlt. Aber selten reden wir darüber, was unser Unterbewusstsein erfasst hat. „Schatz, als ich heute die Kinder abgeholt habe, roch es auf den Schulhof nach Wäsche die jemand in der Waschmaschine liegen gelassen hat. Im Gebäude roch es dann nach ranziger Butter und irgendwie metallisch.“ oder „Deine neue Aktentasche reicht etwas wie Pfefferminztee mit Milch.“  oder „Die Nachbarin riecht als brauche Sie dringen einen Mann.“ Es gehört selten in unser bewusstes Erzählverhalten, obwohl wir die durch die Nase ausgelöste Gefühlswelt durchaus sprachlich nutzen: „Ich kann den nicht riechen.“, „Immer der Nase nach.“. Aber das sind nur Rudimente aus einer Zeit, in der wir die Nase zur Wettervorhersage, auf der Jagd oder bei der Begegnung mit Fremden gut zu nutzen wussten.

Ja, man kann riechen ob jemand gestresst ist oder lügt oder verliebt ist oder feindliche Absichten hat. Gerüche steuern auch unsere Gefühlswelt, wegen der Erinnerung an Erfahrungen oder aus rein angeborenen Gründen. Der Schutz vor Vergiftung durch verfaultes Essen geht über die Nase. Brand und Rauch können wir zu unserem Schutz sehr schnell riechen und instinktiv in Fluchtverhalten umsetzen. Inzucht wird dadurch verhindert, dass Jungen mit beginnender Geschlechtsreife den Körpergeruch Ihre Mutter nicht mehr ertragen können. Auch was wir beim Essen als Geschmack und Gaumenfreude empfinden ist eigentlich der Geruch. Durch die Verbindung im Nasal-Rachen-Raum erleben wir unsere Nahrung als Blumenstrauss verschiedenster Aromen. Die Geschmacksknopsen der Zunge leisten dazu nur einen kleinen Beitrag. Das weiß jeder, der sich daran erinnert, dass nichts wirklich schmeckt, wenn man erkältet ist und die Nase streikt und nichts an unser Großhirn meldet. Die Zunge kann nur süß, sauer, salzig und bitter. Alles andere macht die Nase. Unser Gehirn bastelt die Meldungen der beiden Organe dann zu einer schlüssigen Nachricht zusammen, die uns erlaubt, die Dinge zu ordnen. Hinzu kommt dann unsere kulturelle Prägung mit den Begriffen “mmh lecker” oder “igitt”. Also, der Einfluss von Muttis Küche, Schulbrot, eigenen Kochversuchen, Kantinenfraß, Parties, oder Urlaubserlebnissen. Das bedeutet, dass man je nach Prägung zu einer bretonischen Boullabaisse entweder einen Weißwein bestellt oder ein frisch gezapftes Porter. Ich weis aus Erfahrung, beides passt und lässt sich mit einen Kornbrand abrunden. Das sagt mir meine Nase.

Das ist das Phänomen der Aromawelt, das selbst Bücher füllen kann. Die Pharmaindustrie, ein Multimilliarden-Dollar-Geschäft, lebt davon und auch in der modernen Marketingmethodik wird gezielt mit Aromen gearbeitet.  Aromen werden zugesetzt, um Frische, Ursprung, Scherheit oder sogar High-Tech zu vermitteln oder, um Kunden zum Kauf anzuregen. Ein BMW riecht wie ein BMW riechen soll; ein Nike Turmschuh wie ein Nike Turnschuh und im Surfshop regieren andere, genau auf die Zielgruppe angepasste Aromen als etwa im Reitgeschäft oder eine Kunstgallerie. Schon beim Lesen dieser Zeile springen einem die einzelnen Geruchswelten in den Sinn. Komischerweise gibt es auch Gerüche oder Aromen, die für sich genommen unangenehme sind aber im anderen Zusammenhang als positiv gelten. Man denke nur an den abstoßenden Geruch einiger Käsesorten, die dafür einen hohen Preis erzielen. Auch in Spirituosen gibt es Aromen die nur in ganz feiner Balance, als Nuance unter Vielen, positiv Wirken: Nagellackentferner, Heu, Kohl, Ferienhausmatratze, Säure, Asche, nasses Leder oder Butter.

Das frische Destillat enthält also eine Fülle verschiedenster Aromen die noch mit harmonieren. Es braucht Zeit und wird in Gefäßen aus Steingut, Edelstahl oder Holz einige Wochen oder gar Jahre gelagert.

Fertig.